Framework für Nach­haltig­keits­kom­muni­kation

Autorin

Heidrun Haug

Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin
2001 gründete Heidrun Haug Storymaker mit dem Ziel, Unternehmen in Erfolgsgeschichten zu verwandeln – unser Anspruch bis heute.
Veröffentlicht:
14.9.2023
Aktualisiert:
23.9.2024

Wie können KommunikatorInnen zu einem nachhaltigeren Unternehmen beitragen? Zwischen Handlungsdruck und Greenwashing-Angst kann es einen Weg geben. Doch die Weichen müssen Kommunikationsteams neu stellen.

Storymaker hat 5 Prinzipien für die Nachhaltigkeitskommunikation entwickelt. Diese Prinzipien halten wir für essenziell, damit wir vom Wissen ins Handeln kommen. Nur wenn das Bewusstsein wächst, dass sich etwas verändern muss und auch lässt, werden die Klimaziele erreicht werden können. Dafür ist es notwendig, dass alle Personen den Wandel mitgestalten und mittragen. Der Kommunikation kommt dabei eine wichtige Rolle zu – in der Politik wie in der Wirtschaft.

Bislang bedeutet Unternehmenskommunikation Propositioning und Messaging. Das Unternehmen formuliert kurz und knapp die möglichst differenzierende Stellung im Markt, seinen Zweck und sendet Botschaften, die dieses erklären. Die Kommunikatoren sorgen dafür, dass diese bei den Zielgruppen ankommen und hoffen, dass sie überzeugen. Dass das Sender-Empfänger-Modell nicht so mechanistisch funktioniert wie man sich das erträumt, ist bekannt. Deshalb wird für das Messaging auch viel Aufwand getrieben und über alle Kanäle gestreut. Auch wenn Unternehmen seit einigen Jahren von der Relevanz der Interaktion und Customer Experience wissen, sind echte Dialoge dennoch rar.

Nachhaltigkeit ist für jedes Unternehmen ein komplexes Projekt. Viele Mitarbeitende wie auch Partner, Lieferanten, Kunden, die Öffentlichkeit, wollen wissen, wie die Veränderung vonstattengeht. Welches sind die Maßnahmen, die fürs große Ganze relevant sind und was machen diese mit jedem Einzelnen. Es hat viel mit Kommunikation zu tun, ob die Transformation gelingt. Die Akademie des Instituts der deutschen Wirtschaft (Die Zeit, 17.August 2023) hat es auf eine einfache Formel gebracht: Wahrnehmung mal Wissen mal Wollen gleich Wandel.

Verhaltensökonom Dominik H. Enste, TH Köln, forscht am Institut der deutschen Wirtschaft zur Resilienz von Gesellschaften, in der ZEIT: „Erstens muss es ein Bewusstsein dafür geben, dass etwas schiefläuft und sich das ändern muss. Zweitens braucht es Wissen darüber, was getan werden muss, um die Krise zu bewältigen. Und schließlich braucht es einen gesellschaftlichen Willen zu diesen Veränderungen. Liegt der Wert nur eines der drei Faktoren bei null, bewegt sich nichts.“ (zum kompletten Interview)

Wie lässt sich diese Erkenntnis auf die Aufgabe von KommunikatorInnen übertragen, damit sie motivieren und sensibilisieren – ihren eigenen Beitrag zu einem nachhaltigeren Unternehmen leisten? Diese „5 P-Prinzipien“ halten wir für essenziell, damit Nachhaltigkeit wirkt und überzeugt:

Die Elemente für Nachhaltigkeitskommunikation

1. Prinzip der partizipativen Kommunikation

Dieses Prinzip besagt, dass eine glaubwürdige Vermittlung der Strategie die Einbeziehung der Beteiligten voraussetzt. Die Vision für ein nachhaltiges, sich veränderndes Unternehmen muss gemeinsam erarbeitet werden. Statt einem Messaging ist es die Aufgabe der Kommunikation Räume zu schaffen, in denen Menschen miteinander reden, um eine gemeinsame Haltung zu entwickeln. Sie unterstützen Führungskräfte dabei, in diesen Dialogen Probleme, auch berechtigte Ängste offen anzusprechen und ihre Vorstellungen einzubringen, wie sie den Wandel angehen wollen. Entscheidend ist die Zuversicht, dass Lösungen möglich sind, wenn Mitarbeitende und Partner ihre Köpfe und ihren Sachverstand zusammenbringen und an Lösungen arbeiten, die zu Handlungen führen.

Das setzt voraus, dass Entscheidungen offen sind und die Mitwirkung der Beteiligten erwünscht ist. Zum Dialog gehört, dass die Teilnehmer einander wertschätzend begegnen und sich gegenseitig zuhören. Die Dialogfähigkeit im ganzen Unternehmen und mit den externen Stakeholdern zu fördern, ist die Verantwortung der Kommunikation. Sie sollte Angebote zum Perspektivwechsel machen, damit Mitarbeitende die Arbeitswelt der Kollegen in anderen Abteilungen oder die Leitplanken der Führungskräfte kennenlernen und Kompetenzen zur Moderation ausbilden.

Dialoge sind die Grundvoraussetzung, damit Vertrauen entsteht, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaft zusammenpassen und der Wandel zu meistern ist, wenn alle daran mitwirken.

2. Prinzip des polyphonen Storytellings

Gibt es noch die eine gute Geschichte, die das Unternehmen in ihrem Wesen begreift und zusammenhält? (El Ouassil, Erzählende Affen). Wenn die Leute mitgenommen werden sollen, muss sich im Storytelling die Vielfalt und Diversität widerspiegeln. Identifikation ist ein wichtiges Motiv, wenn Menschen sich engagieren. Dabei geht es weniger um die große Markengeschichte und den Purpose des Unternehmens. Wichtiger ist es, dass sich der Einzelne mit seinem Team und seiner Aufgabe identifiziert und das Gefühl hat, dass seine Erlebnisse und Erfahrungen wahrgenommen werden – sich wiederfinden in der Kommunikation.

Die Kommunikation muss den Spagat vollbringen, die individuellen Perspektiven mit der umfassenden, vom Wettbewerb differenzierenden Identitätsgeschichte zu verbinden. Dafür ist einerseits ein hohes Maß an Ambiguitätstoleranz erforderlich, weil Situation unterschiedlich erfahren und interpretiert werden und so zu respektieren sind. Andererseits darf der unternehmensweite, interkulturelle Zusammenhalt nicht aufs Spiel gesetzt werden, was das Verständnis für allgemein gültige Werte und Prinzipien bedingt. Kommunikation hat die große Verantwortung, im Umfeld einer hypersensiblen jungen Generation, von Desinformation gefluteten Kanälen und mehrfacher Umbrüche Gemeinschaftssinn zu stiften – eine Herkulesaufgabe.

3. Prinzip der persuasiven Rhetorik

Viele Menschen denken, dass sie den Krisen ausgeliefert sind und ihr eigenes Handeln nichts zum Bessern verändert. Was kann Kommunikation tun, damit der Sprung vom Wissen zum Wollen gelingt. Der Persuasion (Caldini-Prinzipien, Aristoteles und Homer) liegt die Annahme zugrunde, dass Kommunikation immer soziales Handeln bedeutet. Man interagiert mit einer oder mehreren anderen Personen. Persuasion wird oft mit Überredungskunst für erfolgreiches Verkaufen gleichgesetzt. Vielmehr zielt es auf Veränderungen der Einstellung des Gegenüber ab. Legitime Mittel sind Argumente, Fakten, Beispiele, Vorbilder, alles außer Gewalt, wozu auch Desinformation und Lügen zählen.

Diese Aufgabe ist nahe an der relativ neuen Berufsbezeichnung des „Public Engagement Managers“. Hierbei geht es darum, dass Organisationen, vornehmlich Wissenschaftsbetriebe, ihre teils komplizierten Arbeiten der Öffentlichkeit zu erklären und sie zu motivieren, zu experimentieren und sich auszutauschen. Gerade im Zusammenhang mit neuen Technologien wie Künstliche Intelligenz, Robotic und Augmented Reality sind solche Aktiv-Ansätze wichtig, um sie kennenzulernen und über Wechselwirkungen bei den verschiedenen Transformationen zu reden.

Im Kontext der Nachhaltigkeitskommunikation geht es um die Überzeugung, dass wir nicht machtlos sind, sondern die Transformation gestalten können. Kommunikations-Manager suchen nach Möglichkeiten, wo Menschen aktiv werden und erleben können, dass sie durch eigenes Handeln zum Wandel positiv beitragen können. Das erfordert auf Seiten der KommunikatorInnen viel Recherche, Fakten-Wissen und weitsichtiges Denken, was die Überprüfung von Zertifikaten, Kompensationen und CSR-Projekten einschließt.

4. Prinzip der prädiktiven Planung

Mit einer prädiktiven, vorausschauenden Einstellung kann Kommunikation handlungsfähig bleiben. Conversional Analytics sind ein „Must“ jeder professionellen PR-Arbeit. Welche Anzeichen lassen sich erkennen in der Medienberichterstattung in den social talks. Noch immer reduzieren viele Unternehmen die Ergebnisse ihrer PR-Arbeit auf das Zählen von Clippings.
In der Industrie ist Predictive Maintenance eine Weiterentwicklung der Wartungsarbeiten: Bevor eine Maschine schlapp macht, will man Verschleiß erkennen und Störungen vermeiden. Auch in der Kommunikation kommt es darauf an, Antennen auszufahren und Alarmsignale zu erkennen, auf die man reagieren muss. Jahreskalender mit wichtigen Daten zu Nachhaltigkeit und Klima können ein erster Schritt sein, mit dem man sich einer vorausschauenden Planung nähert.

5. Prinzip des progressiven Denkens

Bei diesem Prinzip geht es um eine positive Einstellung zum Fortschritt durch technologisches und soziales Handeln. Das fällt angesichts vieler Krisen schwer und die Warnung vor einem „Optimism bias“ macht die Runde. Angesichts der negativen Auswirkungen technischer Produkte wie dem Individualverkehr geht der Glaube an Innovationen, die Lösungen bringen, verloren. Die gegenwärtige Diskussion über KI ist ein Abbild dazu.

Die Unternehmen sind mit Zukunftsszenarien konfrontiert, die bis vor kurzem unvorstellbar waren. Die Akademische Gesellschaft für Unternehmensführung und Kommunikation spricht in ihrem Trendbarometer 2023 von „Unimagination“. Damit ist gemeint, dass unsere Fantasie gegenwärtig nicht ausreicht, neue Entwicklungen positiv wahrzunehmen. „Es fehlt an nicht-fossilen Zukunftsgeschichten“, sagte Luisa Neubauer bei der Tübinger Mediendozentur.

KommunikatorInnen kennen die Kraft der Story. Schon immer ließen sich Menschen aktivieren, wenn sie an die Geschichte eines besseren Lebens glaubten. Sie wanderten aus, zogen in Kriege und ins Ungewisse. Kommunikationsmanager stehen vor der Herausforderung, dass sie reagieren müssen, wenn Unvorstellbares passiert. Deshalb muss Kommunikation in die Strategieentwicklung einbezogen und beteiligt sein, wenn die Führungsebene nachhaltige Szenarien antizipiert: wie kann der Wechsel zur Kreislaufwirtschaft aussehen, wie reagieren, wenn bei einem fernen Zulieferer Unfälle passieren, etc. Da man nicht alles antizipieren kann, wird es um die Kompetenz der Improvisation gehen, der de-eskalierenden Reaktion.

Die Umweltbedingungen verändern sich wie nie zuvor. Multiple Umbrüche erschüttern das Selbstverständnis. Über allem steht die Frage, wie die Klimaziele erreicht und die Welt zu einer friedlichen Entwicklung finden kann. Unternehmen haben eine große, vielleicht sogar die größte Hebelwirkung für den Wandel. Für die Unternehmenskommunikation ist es unerlässlich, relevante Entwicklungen zu erkennen, ihr Einflusspotential zu verstehen und vorbereitet zu sein.

Der Medienwissenschaftler Bernhard Poerksen hat das Konzept der „redaktionellen Gesellschaft“  entworfen und meint damit, dass die Menschen in der hoch mediatisierten Welt Standards und Normen kennen müssen, wie man miteinander redet.  Dieses Modell kann auch für Unternehmen Vorbild sein, weil es KommunkatorInnen zu Kompetenzvermittlern und mehr noch: zu Vertrauensstiftern macht.

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Heidrun Haug

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