Alle kennen es, so gut wie jeder schmückt sich damit: Die Zertifizierung zum klimaneutralen Unternehmen. An dieser Stelle ist zunächst wichtig: Ab einem gewissen Zeitpunkt weniger Treibhausgasemissionen auszustoßen, als durch natürliche oder künstliche Senken wieder reduziert werden kann, ist eine lobenswerte Ambition.
Jedoch ist immer häufiger zu beobachten, dass der Begriff „Klimaneutralität“ erstens falsch und zweitens inflationär in Marketing und Kommunikation von Unternehmen verwendet wird.
Zuerst gilt es, Termini wie Net Zero, Klimaneutralität und Netto-Positiv voneinander abzugrenzen. Das Umweltbundesamt definiert die Konzepte folgendermaßen:
Net-Zero – auch bekannt als Treibhausgasneutralität – bedeutet: Genauso viele Emissionen von menschengemachten Treibhausgasen durch gezielte Maßnahmen zu kompensieren, um einen Ausgleich zu schaffen.
Unter Klimaneutralität versteht man, dass menschliche Aktivitäten keine netto schädlichen Auswirkungen auf das Klima haben. Im Gegensatz zu Net Zero werden hier die lokalen biophysikalischen Effekte menschlicher Aktivitäten berücksichtigt.
Wie beim Konzept von Net Zero inkludiert der Begriff Netto-Positiv ebenfalls Kompensationsmaßnahmen. Allerdings ist damit gemeint, dass mehr Emissionen aus der Atmosphäre entfernt als ausgestoßen werden.
Für das Streben nach Netto-Null spricht, dass es mit den globalen, territorialen Zielen übereinstimmt: Deutschland hat wie etliche Staaten das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet, um den Klimawandel zu bremsen. Das übergeordnete Ziel ist es, die Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. Wenn Unternehmen den eigenen Ausstoß durch Maßnahmen kompensieren bzw. abbauen, dann zahlt sich dies auf das globale Ziel aus. Vor diesem Hintergrund ist Netto-Null grundsätzlich zu befürworten.
Das Problem: Jeder und jede kann mit sofortiger Wirkung Netto-Klimaneutral sein, wenn ausreichend Gelder für Kompensationsprojekte zur Verfügung stehen. Obwohl das erstmal positiv klingt, besteht die Gefahr, dass Unternehmen sich lieber dem Kauf von Kompensationsmaßnahmen verschreiben, statt an ihrem realen CO2-Ausstoß zu arbeiten. Kritiker:innen sind daher begründet besorgt um die echte Transformation hin zur klimagerechten Wirtschaft.
Kompensationsprojekte geraten immer mehr in Verruf, weshalb wir aktuell keine Kompensationsprojekte unterstützen. Als Agentur haben wir bereits unseren CO2-Fußabdruck ermittelt. Da wir kein produzierendes Unternehmen sind, verwundert es nicht, dass dieser nicht erheblich ist. Doch statt diesen zu kompensieren, lassen wir die Zahl bewusst stehen, um zu betonen: Es besteht Handlungsbedarf und das ist vollkommen in Ordnung.
Bedeutet Netto-Null der Abschluss des Projektes „Nachhaltiges Unternehmen“? Leider nein. Die Welt verändert sich aus geopolitischer und ökologischer Sicht stetig weiter. Was heute eine lobenswerte Strategie ist, wird in fünf Jahren wieder obsolet sein. Aber: Es gibt ausgesprochen begabte Köpfe aus Studiengängen und Weiterbildungen zu Nachhaltigkeitsmanagement und -kommunikation, die aktuell in den Arbeitsmarkt eintreten und helfen können. Es lohnt sich sicherlich, diese zu fragen.