Vergleich von Public Relations in China und Deutschland

Interview mit Stefan Justl
Veröffentlicht:
10.5.2023
Aktualisiert:
11.5.2023

Öffentlichkeitsarbeit (PR) ist in China und Deutschland ein wichtiger Bestandteil des Geschäftslebens und der Unternehmenskommunikation. Es gibt jedoch einige Unterschiede in der Art und Weise, wie PR in den beiden Ländern betrieben wird. Im Folgenden haben wir aus unserer Erfahrung ein paar wichtige Punkte für Sie zusammengefasst:

Stefan Justl hat 8 Jahre in China gelebt und als GM der Storymaker China Ltd. zahlreiche Presseevents für unsere Kunden begleitet. Im Mai 2022 ist Stefan zu Storymaker in Tübingen zurückgekehrt.  Dank seiner Erfahrungen in Deutschland und China kennt er die deutsche und chinesische Medienwelt sowie die unterschiedlichen Bedürfnisse der Unternehmen und Journalisten in den beiden Ländern.



1. Wie unterscheidet sich die Bedeutung von PR in Deutschland und China

In China verschmelzen Marketing und PR stärker miteinander, es gibt weniger klare Grenzen. In der Regel haben wir es in China mit einer Person zu tun, die das Budget für beide Disziplinen verwaltet und einsetzt. In Deutschland gibt es den Trend auch, aber in größeren Firmen gibt es meistens einen Verantwortlichen für die Unternehmenskommunikation, der die verschiedenen Disziplinen - Marketing, Presse, Fach-PR, interne Kommunikation - steuert und koordiniert. Presse- bzw. Unternehmenssprechern haben meist einen eigenen Etat für Medienarbeit. Der größte Unterschied liegt aber im Medienmarkt. Die Verlage und Redaktionen sind in China sehr fokussiert auf Bezahl-Services, und kennen kaum Media Relations-Arbeit.

2. Was ist das Ziel von PR in China und was ist das Ziel in Deutschland?  

In Deutschland und in China ist Storymaker nicht im Bereich Lobbying oder in der politischen Kommunikation tätig. Wir fokussieren uns auf Unternehmen. Hier unterscheiden sich die Ziele der PR-Arbeit meiner Erfahrung nach nicht groß. Grundsätzlich geht es für Unternehmen in beiden Ländern darum, eigene Produkte und Lösungen in den Fachmedien zu platzieren und über eigene Kompetenzen eine Meinungsführerschaften, das sogenannte „Thought Leadership“, anzustreben. Der Fokus unserer Kunden in China liegt mehr auf verkaufsorientierter Fach-PR. Die Produkte stehen im Vordergrund, während deutsche Unternehmen auch über Strategie, Tradition und Vision sprechen.

3. Was sind die Zielgruppen in beiden Ländern?

Grundsätzlich hängt die Zielgruppe von den Produkten unserer Kunden ab. Wenn ein Maschinenbauer sein neues Produkt vorstellt, dann zielt er sowohl in Deutschland als auch in China auf dieselben Positionen ab. In China sind die Sprecher und auch die Adressaten der Unternehmen oft deutlich jünger. Social Media ist deshalb in China ein wichtiger Teil in der Kommunikation.

4. Welche Rolle spielen chinesische Social-Media-Plattformen wie WeChat und Weibo bei der PR-Arbeit in China?

Ohne WeChat geht in China nichts. Auch die PR-Arbeit versucht, diese Super-App einzubeziehen. Denn dort finden die Interaktionen, Kundenbindungsprogramme und Informationsaustausch statt. Der direkte Austausch mit Journalisten läuft in China in der Regel über den persönlichen WeChat Account. Ein Beispiel: Laden wir zu einer Pressekonferenz ein, schreiben wir die Journalisten über ihren persönlichen WeChat Account an. An einem Event teilnehmende Medienvertreter kommen dann in eine WeChat-Gruppe, praktisch wie eine WhatsApp-Gruppe. Dort werden alle Mitglieder zeitgleich mit Informationen versorgt. Auch Pressemitteilungen und Bilder von Events stellen wir dort ein.

5. Persönliche Beziehungen in der PR und wie wichtig sind sie?

Persönliche Beziehungen sind in der PR mehr denn je Schlüssel für erfolgreiche Medienarbeit. Die Zeiten der Massenaussendungen von Pressemitteilungen sind vorbei. Das heißt: Wir schauen uns nicht nur die Medien an, sondern auch die Journalisten: Welcher Journalist ist der richtige Ansprechpartner für unser Thema? Treffen wir sein Spezialgebiet, kontaktieren wir ihn. Wir führen auch regelmäßig Redaktionstouren durch. Wir fahren zu den Medien und unterhalten uns mit den relevanten Journalisten darüber, was sie gerade beschäftigt. Wir versuchen zu verstehen, wie wir sie mit interessanten Stories unterstützen können. Das haben wir jetzt gerade im Vorfeld der Hannover Messe gemacht. Auch in China spielen persönliche Kontakte eine große Rolle. Wobei man es mit einem anderen Mediensystem zu tun hat: Zu Events kommen meistens Reporter, während die einflussreichen Journalisten in den Redaktionen sitzen. Zu diesen den Kontakt aufzubauen, ist schwieriger.

6. Kulturelle Unterschiede?

Die gibt es. Sie liegen zum Beispiel im Selbstverständnis der Journalisten. In Deutschland verstehen sich die Medien als unabhängige Instanz, als vierte Gewalt im Staat. Sie verfolgen ihre eigene Agenda und suchen die Story hinter der Story. In China liegt die Aufgabe der Journalisten eher darin, ihren Lesern und Hörern die Pläne der Regierung zu vermitteln und mit Stories zu füllen. Nehmen wir zum Beispiel den strategischen Regierungsplan „Made in China 2025“. Darin wurde im Jahr 2015 klar definiert, was China bis zum Jahr 2025 erreichen will. Die Journalisten suchen also nach konkreten Geschichten, die den Erfolg dieser Strategie untermauern. So wurden unsere Kunden regelmäßig in Pressekonferenzen gefragt, ob sie ihre Forschung- und Entwicklungsabteilung nach China verlegen und welche Technologien sie ins Land bringen.

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Theresa Stewart

Director China
t.stewart@storymaker.de