Wie steht es eigentlich um die interkulturelle Dialogfähigkeit zwischen Deutschland und China? Muss die Zusammenarbeit an globalen Herausforderungen nicht im Vordergrund stehen? Und würde dann nicht die Dialogfähigkeit ohnehin außer Frage stehen? Wir fragen bei der Storymaker-Gründerin Heidi Haug nach ihrer Einschätzung. Storymaker stieg bereits vor mehrals 15 Jahren ins "China-Geschäft" ein und hat eine Niederlassung in Shanghai. Selbstredend, dass die Etablierung einer China-Unit und eigenen Niederlassung einen "Deep Dive" in das Land erfordert – und eben Dialogfähigkeit.
Heidi, Storymaker ist seit mehr als 15 Jahren nun schon als Agentur mit Kommunikationsexpertise im chinesischen Markt gesetzt – wie kam es zum Engagement in China?
Heidi Haug: Wir erhielten den Auftrag des Technologieunternehmens Schott, die PR-Märkte in Asien zu recherchieren. Gleichzeitig beschäftigte ich mich mit der Frage, wie wir als deutsche Agentur im Ausland Fuß fassen können. Wir hatten nur 15 Mitarbeitende damals. Bei der Analyse fiel die Entscheidung auf China, weil es erstens dort noch keine deutsche PR-Agentur gab, zweitens die Sprache auch für die US-amerikanischen Agenturen eine große Hürde war und zudem viele deutsche Mittelständler in China präsent waren.
Manche Unternehmer:innen trauen sich nicht an den chinesischen Markt, weil alles so fremd und anders dort ist. Wie ist Dein Eindruck vom "Business machen in China"? Kannst Du deutschen Unternehmen die Angst davor nehmen?
HH: Vier von zehn deutschen Autos werden in China verkauft. Man kann dort große Geschäfte machen, keine Frage. Ich denke auch, dass nicht das „anders sein“ dem Westen die größten Probleme bereitet, sondern das gewachsene Selbstbewusstsein. In den letzten Jahrzehnten war China auf das Know-How der Ausländer angewiesen; das hat sich umgekehrt. Woran es aktuell mangelt, ist ein Dialog und ein gemeinsames Erarbeiten von Strategien und Antworten auf die globalen Herausforderungen – auf Unternehmens- wie auf Regierungsebene. Als wir 2007 unser Büro in Peking eröffnet haben, gab es viel Kooperation und offenen Diskurs – etwa bei der Ausstellung zur Aufklärung oder bei der Expo in Shanghai. Diese Stimmung ist den Streitereien zwischen USA und China zum Opfer gefallen. Hier kann die Wirtschaft einen anderen Weg einschlagen und einen Dialog auf Augenhöhe starten, der gemeinsame Themen auf die Agenda setzt wie Nachhaltigkeit, qualitatives Wachstum und die Energiewende.
Ethische Kommunikation steht für Dich an oberster Stelle – daher auch das Buch „Glaubwürdige Unternehmenskommunikation“ als Herzensprojekt von Dir zusammen mit Anna Tomfeah vom Weltethos Institut in Tübingen. Was heißt ethische Kommunikation für Dich in Bezug auf China?
HH: Offenheit und Dialogbereitschaft. Brücken bauen zwischen Kulturen, die sich sehr fremd sind, erfordert Geduld und viel gegenseitiges Verständnis. Man wird nur mit Vertrauen vorankommen. Das schließt mit ein, dass man sich Wert schätzt und andere Meinungen gelten lässt. In der Unternehmenskommunikation beginnt das damit, dass die Kommunikationsteams an einer gemeinsamen Story arbeiten, welche die Vielfalt der Stimmen zum Ausdruck bringt. "Sieh mein Land mit meinen Augen" ist ein guter Start für eine wertschätzende Kommunikation.
Wie können wir den Dialog mit China weiter fördern? Geht das auch ohne die Möglichkeit, ins Land zu reisen und es zu erleben?
HH: Die Covid-bedingten Reisebeschränkungen machen es schwieriger. Wir haben aber auch erlebt, dass die raum- und zeitunabhängige digitale Kommunikation viele Möglichkeiten der Begegnung bietet. Wenn wir neugierig sind und zuhören wollen, funktioniert das Gespräch. Es gibt auch einige Expertinnen und Experten mit langjähriger Erfahrung in China, die Bücher schreiben – die lohnt es sich zu lesen. Zum Beispiel Frank Sieren, der bald 30 Jahre in China lebt oder Alexandra Stefanov, die auch einen Podcast mit zahlreichen China-Expertinnen und Experten aufgebaut hat. Es ersetzt natürlich nicht die Reise ins Land, aber es kann Grundlagen vermitteln und spannende Erfahrungsberichte nahebringen. Auch unser jüngstes Buchprojekt "Glaubwürdige Unternehmenskommunikation", das im Springer Verlag erschienen ist, gibt Einblicke in die Kommunikationswelt mit und in China.
Was rätst Du Brands und Unternehmen, die noch zögerlich sind mit ihrem geschäftlichen Engagement in China?
HH: Lesen Sie nicht nur die politische Berichterstattung. Regierung und Partei sind in China sehr dominant, richtig. Und vieles gefällt uns ganz und gar nicht. Aber China ist riesig; jede Provinz hat ihre Eigenheiten. Das Leben ist quirlig und bunt, die Wirtschaft super innovativ, digital, mobil und pragmatisch. Davon bekommt man in der Berichterstattung in unseren Medien nur wenig mit. Unternehmen, die sich für China interessieren, sollten sich zuerst breit und sachlich informieren. Dabei können wir vielfältig unterstützen – mit unserem Know-How zu den digitalen Plattformen, Workshops mit langjährigen China-Experten oder auch mit Startpaketen für den Markteintritt.
Ein gutes Schlusswort, dem wir uns nur anschließen können. Wenn Sie Fragen haben, was Kultur, Wirtschaft, digitale Plattformen und Inhalte, Sprache oder weiteres in China angeht, sprechen Sie gerne mit uns.