Eine Reise nach China während Corona

Autorin

Von:

Anan Xu

Veröffentlicht:
2.2.2021
Aktualisiert:
11.10.2023

Anan Xu, Projektmanagerin und Content Spezialistin im China Team bei Storymaker, entschied sich im Dezember 2020 für eine Reise nach China – trotz Corona. „Ich habe meine Familie seit zwei Jahren nicht mehr gesehen und vermisse sie sehr“, so Anan, während sie mit sich selbst haderte, ob sie ihre Reise nun trotz der Umstände antreten solle oder nicht. Am Ende siegte der Wille, wieder nach Hause zu kehren. Allen aufwändigen Vorbereitungsmaßnahmen, Quarantäne- sowie Einreisereglungen zum Trotze, ist sie nach China gereist und bereits wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Was sie erlebt hat und wie ihre Vorbereitungen liefen, erzählt sie hier.

Die Suche nach dem Weg dorthin

Einen Flug zu finden ist nicht schwer. Das schwerste ist einschätzen zu können, ob dieser Flug dann auch wirklich abhebt. Es gibt zahlreiche Faktoren, die man berücksichtigen muss: Die Auswahl des Zielortes entscheidet darüber, ob man nach der Landung nochmal weiterreisen muss. Außerdem gibt es unterschiedliche Richtlinien an den verschiedenen Zielorten. Auch die Abflugzeit ist entscheidend – Montage gilt es zu vermeiden, da die meisten Testzentren am Wochenende geschlossen sind. Ohne negativen Test – kein Flug! Zahlreiche Clicks und Recherchen später hatte ich mich dann für einen Direktflug mit Air China nach Shanghai entschieden, der die vergangenen Wochen immer planmäßig geflogen war. Shanghai hatte zusätzlich den Vorteil, dass ich dort direkt in die zweiwöchigen Pflicht-Quarantäne gehen kann – in Beijing z.B. wird man nochmal weitergefahren in eine andere Stadt, um die Quarantäne beginnen zu begehen. Ein paar Mal musste ich mir allerdings schon die Augen reiben als ich sah, dass dieser Air China Flug nun doppelt so viel kostete als meine Alternativen. Zuverlässigkeit ist heute eben teuer.

Der Aufbruch ins Unbekannte…

Ich hatte Glück, anders als man es zurzeit kennt, lief die Reise wirklich glatt! Mein negatives Testergebnis erhielt ich am Tag vor meinem Abflug und konnte es gleich auf WeChat hochladen, um meinen „Green Code“ vom chinesischen Konsulat zu erhalten. Ohne den wäre meine Reise schon vor dem Boarding in Frankfurt beendet gewesen.

Ohne „Green Code“ auf WeChat – keine Einreise.

Vor dem Einchecken am Frankfurter Flughafen wurde meine Körpertemperatur gemessen. Jeder kann sich vorstellen, dass ich mir Sorgen machte, vor Aufregung plötzlich eine höhere Körpertemperatur zu haben – bei mir war sie überraschenderweise mit 35,1 Grad erst zu niedrig. Ich musste mich also erst ein bisschen bewegen, damit ich wärmer wurde. Dann wurde ich von den freundlichen Pflegekräften gleich durchgelassen.

Die Reise beginnt für mich am Frankfurter Flughafen. Hier stehen alle Passagiere meines Fluges und warten auf den Check-In.

Im Flugzeug angekommen stellte ich fest, dass ich bereits beide Mahlzeiten und drei Flaschen Wasser für den gesamten Flug bekommen hatte und nur jeder zweite Platz besetzt wurde. Das Flugzeug schien für die aktuellen Verhältnisse ansonsten ausgebucht. Kopfhörer, Decken oder Kissen gab es keine – um indirekten Körperkontakt zu vermeiden. Mir tat es leid, als der Herr vor mir um eine Decke bat, weil ihm kalt war. Die Stewardess versuchte aber ihr bestes und bastelte ihm eine Wärmflasche aus einer Plastikflasche.

Zwei Verpflegungsboxen und drei Flaschen Wasser für zwölf Stunden Flug.

Welcome to… quarantine!

Der Flieger landete pünktlich in Shanghai – vorbei war meine Einreise aber noch lange nicht. Am Flughafen in Shanghai war alles super durchorganisiert. Positiv überrascht war ich vom freundlichen und geduldigen Personal vor Ort. Ich hatte mich bereits auf Stress und Ungeduld eingestellt und hätte Verständnis dafür gehabt. Sehr unangenehm war der PCR-Test – durch beide Nasenlöcher wird ein Wattestäbchen tief in die Nasenhöhle gesteckt, dann wird es dreimal gedreht und muss insgesamt zehn Sekunden dortbleiben. Eine Frau hat vor Schmerz geweint, so schlimm war es bei mir zum Glück nicht. Danach werden alle Passagiere nach ihrem Endzielort sortiert – Shanghaier werden zu Hotels in ihren Stadtteilen gebracht, Passagiere aus anderen Provinzen zu Hotels in Vororten.

Flughafen Shanghai: Hier sortieren sich alle Passagiere nach dem PCR-Test je nach Endziel ein.

Vier Stunden nach Landung bin ich in meinem Quarantäne-Hotel für die nächsten zwei Wochen angekommen. Ich stellte fest, dass anscheinend jedes Hotel seine eigenen Regeln hat, was Lieferdienste und Pakete angeht. Für mich waren Pakete erlaubt – werden aber aufgemacht und geprüft bevor man sie erhält – zu meiner großen Enttäuschung waren aber Lieferdienste nicht erlaubt. So war ich meinem großen Ziel, dem ich seit Wochen entgegenfieberte (Bubble-Tea und Laghman-Nudeln), dann doch noch weitere zwei Wochen entfernt. Aber Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude.

Mein Hotelzimmer für zwei Wochen Quarantäne.

Quarantine done right!

Ich hatte mir viele Gedanken dazu gemacht, wie ich die Zeit in der Hotelzimmer-Quarantäne füllen kann. Ich hatte mir ein Buch besorgt, The Pillars of the Earth, welches ich tatsächlich zu Ende gelesen habe. Mein Französisch hat auch ein kleines Upgrade bekommen, da ich viele französische Filme geschaut habe. Besonders cool war es, immer ganz oben auf „Keep“ gelistet zu sein. Keep ist eine Fitness-App, die täglich Bewegung und Workouts dokumentiert. Man kann sich mit seinen Freunden dort vernetzen, um sich in Sachen Sportlichkeit messen. Mit einem täglichen Workout der Influencerin Pamela Reif, konnte mir da natürlich keiner etwas vormachen! Ich habe es sehr genossen, Zeit für mich selbst zu haben. In der zweiten Woche habe ich aus dem „Quarantäne Home-Office“ gearbeitet, dabei ist die Zeit wirklich geflogen und konnte ganz vergessen, dass ich ja noch in Quarantäne war.

Die Mahlzeiten bekommt man vom Hotel ins Zimmer geliefert – eigene Lieferdienste sind verboten.

Ein echtes Gefühl von Freiheit

Nach zwei Wochen totaler Isolation war es dann endlich soweit – ich durfte raus an die frische Luft, Menschen sehen, durch Straßen schlendern und hingehen, wo ich will. Ich war in Shanghai gleich am Bund und habe die Aussicht und den frischen Wind genossen. Nachdem ich meinen Behördentermin für die Erneuerung meines Personalausweises hinter mich gebracht hatte, habe ich den neuen Mega-Flughafen Peking-Daxing besucht. Und ich habe endlich meinen heißgeliebten Bubble-Tea von Hey Tee und meine Laghman-Nudeln bekommen (nicht nur einmal natürlich)!

Der berühmte „Bund“ in Shanghai und die Shoppingmeilen in Shanghai waren wieder gut gefüllt.

Bei mir Zuhause ist Essen das absolute Highlight. Meine Mama und meine Freunde sind mit mir in zahlreiche neue Restaurants gegangen, die ich noch nicht kannte. Es war unglaublich schön – und lecker.

Hier ein paar der Leckereien, die ich Zuhause genießen durfte.

Meine Mama und ich haben fast alle Filme geschaut, die das Kino zu bieten hatte. Kinos sind in China schon länger wieder geöffnet, allerdings waren die Kinosäle selbst am Wochenende ziemlich leer. Bei The Invisible Man waren wir sogar komplett allein im Saal – privates Kino zum Schnäppchenpreis! Ich war etwas traurig, dass wir meine Oma in Nordchina nicht besuchen konnten. Sie wohnt in der Nähe von Shenyang, wo es einen erneuten kleinen Ausbruch gab – die Stadt wurde als Konsequenz sofort in Teilen abgeriegelt. Aber so ist das zurzeit.

Eine Hochzeit mit 400 Gästen war kein Problem

Ein weiteres besonderes Erlebnis für mich war die Hochzeit meiner besten Freundin aus der Schulzeit. Die Feier fand in der schönen Küstenstadt Zhanjiang statt mit über 400 geladenen Gästen. Ich war begeistert, alte Freunde wiederzutreffen und den Geschichten aus ihren Leben zu lauschen. Zwei Freundinnen haben letztes Jahr ihr erstes Kind bekommen – eine bereitet sich schon auf ihr zweites vor und hat deswegen vorsorglich keinen Tropfen Alkohol getrunken. Ich hatte das Gefühl, hier geht es weiter und die Menschen hier haben wieder andere Dinge im Kopf.

Die Hochzeit meiner besten Freundin mit 400 Gästen in Zhanjiang.

„Geh nicht zurück nach Europa, in China ist es doch viel sicherer!“

In meiner Heimatstadt hat sich fast alles wieder normalisiert. Man kommt auf andere Gedanken. Maske tragen ist hier keine Pflicht mehr. Nur in Kinos oder Banken wird noch die Temperatur gemessen. Die Menschen verfolgen jedoch nach wie vor stets die Nachrichten zum Virus – man will trotz allem Spaß am öffentlichen Leben vorbereitet sein, sollte es wieder zum Ernstfall kommen. Mir wurde häufig gesagt, ich solle lieber nicht zurück nach Europa reisen, weil es in China viel sicherer sei. Eine Hotelbetreiberin erzählte mir außerdem, dass die Hotellerie sehr stark von den Auswirkungen der Pandemie getroffen wurde. Die Gastronomie habe auch gelitten, nach dem Lockdown konnten sich Restaurants jedoch übermäßig schnell wieder erholen. Durch weitere strenge Einreiseverbote und Beschränkungen, klappt das bei der Hotellerie natürlich nicht so schnell. Auf der Straße sind die Lieferboten von Meituan, einem Online Lieferservice, nicht mehr zu übersehen. Online-Services und Lieferdienste profitieren sichtlich von der Situation. Sie haben den Lockdown hier sehr erleichtert und sind weiterhin ein guter Anker für diejenigen, die sich noch nicht wieder wohlfühlen in den Menschenmengen. Allein vor dem Gebäude, in dem meine Mama wohnt, gibt es vier Paketstationen, vor denen sich am Tag unzählige Boten sammeln und auf die Paketinhaber warten.

Das digitale Leben ist sichtbarer als je zuvor – überall tummeln sich Meituan Boten auf den Straßen.

Meine Reise nach China hat sich definitiv gelohnt. Ich habe mich unglaublich gefreut, meine Familie und Freunde wiederzusehen. Zurzeit gibt es wieder einige vereinzelte Ausbrüche in China, heutzutage kann sich die Lage überall auf der Welt rasch ändern. Allerdings habe ich einen kleinen Einblick bekommen, wie das Leben eines Tages wieder weitergehen wird. Das macht Hoffnung und lässt mich zuversichtlich in unsere Zukunft blicken.

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