Mittelstandskommunikation #traudich

Digitalisierung, PR und ein starkes China

Autorin

Heidrun Haug

Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin
2001 gründete Heidrun Haug Storymaker mit dem Ziel, Unternehmen in Erfolgsgeschichten zu verwandeln – unser Anspruch bis heute.
Veröffentlicht:
20.9.2018
Aktualisiert:
27.7.2021

Darin sind sich alle einig: Digitalisierung verändert das Geschäft – auch in Marketing und Kommunikation. Doch nur jedes fünfte deutsche Industrieunternehmen nutzt mehrere digitale Plattformen und erst magere vier Prozent verfügen über eine Digitalstrategie für Marketing-Kommunikation. Damit liegt die klassische Industrie gefühlt weit hinter anderen Branchen zurück. Selbstkritisch sagen auch mehr als 90 Prozent der MarKom-Leiter, dass sie sich bei der Digitalisierung in keiner führenden Position sehen, so die Ergebnisse einer Studie des bvik Bundesverband Industrie Kommunikation in Kooperation mit der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Hektisch beginnen nun einige Mittelständler mit einer vermeintlich einfachen Strategie: junge digital-affine Manager anzuheuern. Der richtige Weg?

Digitalisierung ist Chefsache

„Digitalisierung kann nicht delegiert werden“, redete Ralf W. Dieter, CEO der Dürr AG, den Führungskräften beim Forum deutscher Mittelstand in Stuttgart ins Gewissen. „Der digitale Wandel muss Chefsache sein.“ Nicht nur der Vorstand ist damit angesprochen, sondern jeder Unit- und Sparten-Manager, Teamleiter, auch die Marketing- und Kommunikationsleiter und PR-Verantwortlichen. Selbst digital denken und machen lautet die Botschaft, die digitale Vorreiter schon vor zehn Jahren in Sachen Social Media postulierten. Passiert ist seither vielerorts allerdings zu wenig.

Das Muster ist bekannt: Schon in den 90er Jahren hatte man versucht, dem Thema Geschäftsprozessoptimierung genüge zu tun, indem man neue Hüte für Chief Process Officer und Process Owner verteilte oder E-Commerce Manager anheuerte. Nun also der Chief Digital Officer und der Social Media Manager? Wer die Neue-Markt-Zeit erlebt hat, wird die Stirn runzeln und sich erinnern, dass es oft mehr um neue lukrative Posten ging und weniger um echten Fortschritt – natürlich gab es Ausnahmen.

Was kommt und was bleibt?

Digitalisierung und Vernetzung bringen viel neues Potenzial für Marketing und Kommunikation. Doch es wird sich nicht alles verändern. Weiterhin wird Unternehmens- und Fachkommunikation von der Qualität des Contents leben. Noch immer wird man Botschaften senden, Fragen beantworten und Dialoge organisieren. Man wird auch in Zukunft News, Fachbeiträge, White Papers und Editorials verfassen, hin und wieder eine Pressekonferenz organisieren, Produkte und die Strategie erklären. Doch bislang ist die PR klassischer Industriefirmen vor allem auf die Fachpresse beschränkt, manchmal erscheint ein Mittelständler auch in den Wirtschaftsmedien. Durch das Internet sind weitere Kanäle und Formate möglich geworden. Ihre Anwendung erfordert Offenheit und Mut.

Es geht nicht nur um Twitter, Facebook, Xing und immer stärker um – für die B2B-Kommunikation zunehmend relevant – LinkedIn. Mit der Digitalisierung entstehen auch neue Formate wie Chats, Live-Streaming, Kommentare, Umfragen, Likes und Interaktionen mit den Besuchern der Profile. Insgesamt ist die Kommunikation heute viel visueller – Infografiken, Videos und Animationen sind das Salz in der Social-Media-Suppe. Auch das Projektmanagement bekommt via Trello, WhatsApp oder Slack neue Möglichkeiten wie man team- und standortübergreifend für Transparenz sorgen und Aktivitäten schnell abstimmen kann.

Ein kleines Wort schürt große Ängste

„Und dann kommt der Shitstorm“ oder „Wir haben das alles nicht mehr im Griff“, höre ich warnende Stimmen. Richtig, Trolle, Miesmacher und Verbreiter von falschen Informationen sind eine unangenehme Begleiterscheinung von Social Media. Doch Wegducken und Veränderungen im Rezeptionsverhalten ignorieren war noch nie eine gute Strategie. Ehrlich bleiben – im Geschäft, bei den Produkten wie in der Kommunikation – war schon immer das beste, das einzige Rezept gegen Medien-, Kunden- oder Öffentlichkeitsschelte und ein negatives Image.

Die MarKom-Teams müssen auch in der klassischen Industrie verstehen, dass sich jeder mit jedem vernetzt, viel mehr Personen in der Kommunikation mitmischen – und das auch für B2B gilt. Jeder Mitarbeiter, Kunde, Partner oder jede andere Person, an die man vielleicht gar nicht als Stakeholder gedacht hat, wird zum Kommunikator – und jeder nutzt andere Geräte. Die Vielfalt erfordert eine Content-Strategie, Schulung und vor allem Mut zu experimentieren.

Die Generation, die mit dem Internet aufgewachsen ist, nutzt diese Möglichkeiten schnell, agil und kreativ. Sie kennen die Regeln wie die Fallen in den sozialen Medien. Dieses Know-How muss man kombinieren mit dem Wissen der MarKom- und PR-Teams um Inhalte, Zusammenhänge und die Kultur des Unternehmens. Voneinander lernen und frischen Wind zulassen lautet die Führungsaufgabe.

China ist digitaler Vorreiter

Was es heißt mit Mut, Schnelligkeit und Selbstvertrauen die Digitalisierung anzugehen, kann man in China erleben. Vor zehn Jahren habe ich den Leiter des staatlichen Informatikinstituts interviewt. Er erzählte mir von ambitionierten Cloud-Projekten, Supercomputern und Roboterforschung. Auf meine Frage, warum China als IT-Land so wenig bekannt ist, sagte er: „Uns fehlt ein Steve Jobs.“ Heute sind Jack Ma und Ma Huateng, die Gründer von Alibaba und Tencent (WeChat), Ikonen der digitalen Entwicklung in China.

Das große Land ist auf der Überholspur bei Innovationen. Das betrifft auch digitales Marketing. Per WeChat wird Vertrieb gemacht und per Alipay werden auch Großaufträge abgewickelt. Auf dem Forum sagte Dr. Peter Bartels, Asien-Experte bei PwC: „China nutzt Digitalisierung als Reset Button“, um im digitalen Zeitalter die Weltmärkte zu erobern. Die Geschwindigkeit, mit der Social Media und Co. alle Bereiche der Gesellschaft erfasst haben, ist atemberaubend. Im Vergleich dazu, so Bartels, „sind wir soooo langsam“.

Wie können wir anpacken?

Der deutsche Mittelstand ist bekannt dafür, dass er Dinge grundsolide anpackt – und dann zum Erfolg führt. Vielleicht nicht am schnellsten, aber umso wirkungsvoller. „Das Wachstum wird kommen,“ hieß es in Baden-Württemberg.

Also packen wir es an: Die Digitalisierung der Kommunikation in Industrieunternehmen braucht aus meiner Sicht folgende Aspekte:

  1. Content-Verantwortliche und ein teamübergreifendes Team, das gemeinsam an der Content-Strategie arbeitet und diese vor allem gemeinschaftlich umsetzt – nichts ist diffuser als Manager, die ihre eigene Agenda verfolgen.
  2. Sich Know-How aneignen und einen Überblick verschaffen – was sind die Vorteile der verschiedenen Plattformen, wie funktionieren sie, welche Formate und Regeln gibt es, was sind die No-Gos?
  3. Einen Contentplan entwickeln – welche Themen und Ereignisse sollen kommuniziert werden, welche Communities und Netzwerke sind für Image, Kundenbindung, den Umsatz relevant?
  4. Ziele definieren: Follower-Zahlen, Interaktionsrate, Chataktivitäten
  5. Gemeinsam und unbürokratisch die praktischen Aufgaben anpacken: Wer twittert, wer legt Hashtags fest, wer organisiert Bildmaterial und kann Videos machen?
  6. Alle mit Kommunikation befassten Teams schulen, mitnehmen und dafür sorgen, dass sie sich mehr trauen – denn in der Plattformwelt ist die Konkurrenz groß. Nur wer auffällt, gefällt.

Der Mittelstand traut sich viel, wenn es um technische Innovationen geht. Das darf auch auf Marketing und Kommunikation übertragen werden. MarKom-Leiter haben in den letzten Jahren an strategischem Gewicht gewonnen; ihr Budget ist laut der bvik-Studie um 18 Prozent gestiegen. Jetzt kommt es darauf an, dass sie ihren Einfluss für die Digitalisierung nutzen.

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