Als ich neulich bei nebenan.de nach einer zuverlässigen Textil-Reinigung in der Nähe unserer Wohnung fragte, da hatte ich auf einmal wieder dieses Gefühl der frühen Tage von Twitter, Facebook oder auch Xing. Eine geschlossene Community für Insider, die noch nicht mit Werbung torpediert wird und deren Aussagen nicht von Selbstdarstellung und fragwürdigen Interessen geleitet sind. Nebenan.de, denen die Wired neulich eine Titelgeschichte gewidmet hat (Achtung Paywall), ist hierbei ein gutes Beispiel für einen Trend, der sich immer mehr abzeichnet: die Groß-Communities funktionieren für den Austausch und die Informationsbeschaffung von Mensch zu Mensch nur noch bedingt.
Selbst auf den Marktführer-Plattformen sind es die Mikro-Communities auf denen die Interaktion abläuft. Die Nutzer von Facebook beispielsweise wirken in der Timeline etwas interaktionsmüde, Unternehmen und Marken scheinen besonders betroffen. Mark Zuckerberg hat reagiert und will jetzt den Fokus auf die Freunde und das familiäre Umfeld stärken. Die Folge: Digitalkommunikation für Unternehmen auf dieser Plattform wird schwieriger. Dabei ist Facebook an manchen Stellen quicklebendig. In den inhaltlich orientierten Gruppen diskutieren die Nutzer wie die Wilden. Egal ob es um Manga, italienische Restaurants oder Bühnentechnik geht: Da wo sich Facebook-User über ihre Spezialinteressen austauschen können, tobt das digitale Leben noch immer.
Auch die generellen Nutzertrends gehen in Richtung „geschlossene Community“. Messenger boomen, die WhatsApp-Gruppe zur Familie, Schulklasse und Partyorganisationsgruppe ist heutzutage Standard auf fast jedem Smartphone. Neue Gadgets wie beispielsweise Amazon Echo Show, das unter anderem als Videotelefonstation für Familie und Freunde genutzt werden soll, greifen die Entwicklung auf. Nur wen ich wirklich kenne, oder wer meine Interessen teilt, interagiert wirklich mit mir. Ansonsten: Aus die Maus.
Also brauchen Unternehmen als Multiplikatoren Menschen, die ihre Produkte oder ihre Marke lieben und aktiv in die Diskussion einbringen. Moment: waren dafür nicht die Influencer da? Doch diese sind inzwischen zu reinen Werbepromis verkommen. Ich muss immer mehr an Franz Beckenbauer und Thomas Gottschalk denken, die in den 90ern für jeden neuen Mobilfunkanbieter ihr Gesicht in die Kamera hielten. Welche Anbieter das waren? Längst vergessen. Aber an die Promis erinnere ich mich. Sie sind unverwechselbar geworden durch die ständige Präsenz; die von ihnen beworbenen Produkte nicht.
Eine neue Reinigung habe ich übrigens inzwischen gefunden. Über nebenan.de. Der entscheidende Tipp kam von einer Nachbarin zwei Straßen weiter. Sie schien mir vollkommen unverdächtig, hatte die Reinigung oft und zu ihrer Zufriedenheit genutzt – und Geld für Ads hatte wohl auch niemand in die Hand genommen. Wobei: Ich bin mir nicht sicher, dass es bei nebenan.de ewig so paradiesisch bleibt. Für Ende des Jahres sind Werbemöglichkeiten angekündigt. Allerdings nur für Unternehmen aus der Nachbarschaft. Mal schauen, was dann passiert.