Livestreaming hat die chinesische E-Commerce-Landschaft in Blitzgeschwindigkeit erobert und kommt nun auch allmählich nach Europa. Die Parfümerie-Kette Douglas ist zum Beispiel täglich von 19 bis 20 Uhr im Livestream. Modehändler wie Orsay, Breuninger, Nordstrom und H&M versuchen auch mit dem neuen Kanal, mehr Käufer zu locken. Aber auch im B2B Bereich kann man in China mit Live Streamings mit Experten und von Messeauftritten punkten. Was ist die Magie des Livestreamings? Was unterscheidet Livestreaming von anderen Kommunikationsformaten? Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir den Blick in das Land der Mitte richten.
Die Geschichte des modernen Livestreamings reicht bis ins Jahr 2005 zurück. Damals liefen Livestreamings jedoch nocht nicht auf mobilen Geräten, sondern auf PCs. Livestreamings fanden v. a. in Chat-Rooms statt, wo hübsche Hosts mit Zuschauern interagieren und auf Anfrage sogar singen, wenn die Zuschauer kostenpflichtige virtuelle „Geschenke“ kaufen.
Interessanterweise fing die Geschichte des mobilen Livestreamings 2015 nicht in China, sondern in den USA mit der App Meerkat an.Chinas Internet-Unternehmen erkannten sofort das Potential dieses neuen Formats und brachten binnen kürzester Zeit eigene Pendants auf den Markt. In der Anfangsphase des mobilen Livestreamings war E-Sport der absolute Fokus dieses neuen Formats. Dank der in China sehr beliebten Spiele wie LOL (League ofLegends), Honor of Kings und PUB (PlayerUnknown's Battlegrounds) etablierten sich einige Livstreaming-Plattformen durch die Übertragung wichtiger Spiele. Dazu zählen auch die bis heute in diesem Gebiet immer noch dominanten Plattformen Douyu und Huya.
Ab 2018 ist Livestreaming schon eine wichtige Form der Unterhaltung für viele Chinesen und wird immer vielfältiger. Chinesen können alles im Livestream schauen – Modeshows, Konzerte, E-Eport-Wettbewerbe, aber auch Vorlesungen. Dominante Plattformen dieser Phase sind Douyin und Kuaishou,die ursprünglich Kurzvideo-Apps waren. Laut der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua betrug die Anzahl der Livestreaming-Nutzer Ende 2020 bereits 617 Millionen.
Gleichzeitig wächst der Anteil von E-Commerce beim Livestreaming. Unter den 617 Mio. Livestreaming-Nutzer kaufen 388 Mio. Chinesen im Livestream ein. 2018 brachen zwei Hosts von Taobao Live (Livestreaming-Plattform des Online-Shopping-Giganten Alibaba) Rekorde: Viyamachte 150. Mio. RMB Umsatz (ca. 20 Mio. Euro) während eines fünfstündigen Livestreams und Host Li Jiaqi verkaufte 15,000 Lippenstifte innerhalb von 5 Minuten. Bis heute sind die beiden immer noch „Queen“ und „King“ im Reich des Taobao-Livestreams.
Dann kamen die Coronakrise und der Lockdown. Während die Pandemie für verschiedene Branchen in der Offline-Geschäftswelt für Krisenstimmung sorgte, boomt das E-Commerce-Livestreaming weiter. Wo früher eher günstige Produkte verkauft wurden, brach die Krise alle bestehenden Grenzen: Diverse Luxusmarken begannen mit dem Livestreaming, darunter auch Autohersteller wie Tesla. Am 1. April 2020 verkaufte die Viya im Livestreaming sogar eine Rakete für 40 Mio. RMB.
Das volle Potential des Livestreamings bleibt noch unerschlossen. Obwohl E-Commerce heutzutage den Großteil des Livestreamings ausmacht, ist das Format für viele weitere Anwendungen geeignet.
Beispielsweise ist inzwischen in China eine Messe ohne Livestreaming undenkbar. Obwohl Messen bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 in China wieder normal stattfanden, boten viele Aussteller auf ihrem Ausstellungsstand Live-Programme an. Inzwischen ist Livestreaming auf Messen für viele chinesische Unternehmen zum Standard geworden. Die Interessenten, die nicht vor Ort sein können, schauen sich per Livestream die ausgestellten Produkte an. Ihre Fragen bzw. Anfragen werden auch live beantwortet.
Das Livestreaming erobert nicht nur das B2C Geschäft, sondern verändert auch das B2B Marketing. Im Gegensatz zu B2C geht es beim B2B Livestreaming in erster Linie nicht um den kurzfristigen Umsatz, sondern eher um die Generierung der Leads und die Markenkommunikation. Während die Zuschauerim B2C Livestream zum Spontankauf animiert werden, geht es im B2B Bereich um langfristige und rationale Kaufentscheidungen. Daher veranstalten viele B2B Unternehmen im Livestream keine Verkaufsaktion, sondern informative Webinare,um die Kunden mit Know-how zu überzeugen und langfristig zu binden.
Ein anderes spannendes Anwendungsgebiet für Livestreamingliegt im Tourismus. Besonders interessant ist die Möglichkeit für Sehenswürdigkeiten, die vor der Corona Krise viel von chinesischen Touristen besucht wurden. Bis dato dürfen Touristen aus China immer noch nicht nach Europa reisen. Daher probieren jetzt manche innovationsfreudige Städte und Museen dieses unkonventionelle Format aus, um sich virtuell zu präsentieren.
Unser Kunde Mercedes Benz Museum gehört zu den Pionieren im Bereich des Tourismus hier in Deutschland. Über 75.000 chinesische Besucher fanden jedes Jahr den Weg in das Mercedes Benz Museum in Stuttgart – bis Corona kam. Da das Museum aktuell keine chinesischen Touristen willkommen heißen kann,ließ man sich etwas Besonderes einfallen: Eine virtuelle Museumstour, exklusiv im Livestream auf der beliebten chinesischen Reiseplattform Fliggy. Zwei Stunden lang führte das Team vor Ort Fans aus dem Reich der Mitte durch die Exponate – mit tatkräftiger Unterstützung von Storymaker Anan Xu, die als Dolmetscherin mitten im Geschehen stand. Für die Zuschauer in China war es ein schönes Event, das absolut Lust macht auf ein baldiges Wiedersehen in Stuttgart.
Obwohl Livestreamings meistens sehr entspannt und locker erscheinen, steckt dahinter viel Organisationsaufwand und genaue Planung. Beider Vorbereitung sollten Sie folgendes beachten:
1. Zeit & Datum
2. Storyline
3. Promotion - auf verschiedenen Kanälen (LinkedIn, WeChat,Weibo etc.)
4. Mehrmalige Proben
5. Livestreaming
6. Tracking & Evaluierung
Ob ein Livestreaming gelingt, hängt von vielen Faktoren ab und jeder genannte Schritt ist wichtig. Wenn Sie sich für das neue Kommunikationsformat interessieren und Tipps brauchen, können Sie sich gern an uns wenden.