Ist von „Sinn“ die Rede, dann geht es ums Eingemachte. Was zählt wirklich und ist wichtiger als alles andere. Wir beschäftigen uns mit dem Sinn, weil vieles so unsinnig erscheint. Was soll ein Leuchtturmprojekt für Elektro-Mobilität, wenn gleichzeitig der größte Umsatz mit SUVs gemacht wird. Weshalb das Leitbild veröffentlichen, wenn die neue Arbeitswelt mit dem alltäglichen Handlungsdruck kollidiert. Es mag ein Trost sein, dass über den Sinn in der Geschichte immer dann philosophiert wurde, wenn Altes zerbrach und Neues entstand.
Davon gibt es im Moment ja ziemlich vieles. Digitalisierung, Globalisierung, die Klimakrise und dann auch noch eine Bewegung, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Welt zu retten. „Fridays for Future“ ist der Aufschrei einer Generation, die mit den sozialen Medien und allgegenwärtiger Werbung aufgewachsen ist – und einen feinen Bullshit-Riecher besitzt. Von Entschuldigungs-Statements und schönen Geschichten voller Botschaften und Versprechungen von Wirtschaft oder Politik wollen sie nichts hören. Stattdessen geht es ihnen um ethische Verantwortung.
Das ist nachvollziehbar. Die Skandale von VW, Bayer/Monsanto, dann auch noch das tadelige Verhalten des Familienunternehmers Schlecker – die Verfehlungen treffen nicht nur diese Unternehmen, sondern oft eine ganze Branche, wenn nicht die Wirtschaft selbst. Da geht viel Vertrauen verloren. Nach der Finanzkrise 2008 wollten alle Manager ganz anständig werden – Pustekuchen. Vielmehr muss die Öffentlichkeit erkennen, dass hinter glanzvoll aufpolierten Marken oftmals geschickt das Innere verborgen wurde: Machtarroganz, autoritäre Hierarchiestrukturen, Geldgier. Die Compliance-Regeln verhindern zwar, dass man dem Kunden mal ein kleines Geschenk macht. Aber Milliarden-Betrügereien gibt es weiterhin. Eilig durchgeführte Kampagnen mit Spenden für einen guten Zweck oder Tassen, auf denen „Haltung“ steht, werden da nicht helfen.
Wenn sich entschuldigen und symbolische Aktionen nichts nützen, was dann? Eine ethische Grundhaltung wäre schön. Mit einer offenen Diskussionskultur, mit dem Mut zu kritischen Fragen und Hinweisen, mit dem Ringen um die Inhalte, die zu dem propagierten Wertesystem passen. Ich war noch nie im Führungsgremium eines großen Unternehmens und kann nur erahnen wie die Übernahme einer Giftfirma mit einem weltweit bekannt miserablen Ruf zustande kommt: durch die Gier, die Nummer 1 zu sein und durch den faszinierten Blick auf Zahlenakrobatik. Ich hoffe, dass kein Kommunikationschef mit am Tisch saß – es wäre eine Schande für den ganzen Berufsstand.
Glaubwürdigkeit und Wahrheit sind die Prinzipien in PR und Kommunikation. Weil nur durch sie Vertrauen entsteht. Früher auch nach dem Motto: Lieber nicht gleich ein Statement abgeben, als lügen oder was Schlechtes sagen. Das finde ich legitim. Gründlich nachdenken, forschen, um den nächsten Schritt ringen, ist besser als sofort was rauszuposaunen. Wichtiger ist doch, dass Unternehmen die Balance zwischen wirtschaftlichem Erfolg und Gemeinwohl finden, die Wirkungen ihres Handelns für Mensch und Umwelt bedenken. Dazu müssen sie sensibel sein für die Gedanken der Mitarbeiter und aus der Perspektive externer Zielgruppen denken.
Hier sind Kommunikatoren gefordert: Was ist die wirkliche Identität des Unternehmens und wie passen die Entscheidungen des Managements dazu – und passt das am Ende zur Welt, in der das Unternehmen agiert? Wir nennen das Storymatching. Die formulierten Werte müssen sich in der Kultur, im täglichen Verhalten wiederfinden. Vielleicht brauchen PR und Unternehmenskommunikation mehr Gewicht – sich nicht nur als Führungsposition verstehen, sondern diese auch ausfüllen. Denn es gibt kein richtiges Leben im falschen.
Es reicht nicht, wenn Kommunikations-Experten nur das Follow-up machen – umsetzen, was andere Abteilungen auf den Weg gebracht haben. Es geht nicht um neue Posten, um einen omnipotenten, allwissenden Manager, der überall mitredet. Aber die Unternehmenskommunikation sollte eine Stimme haben, wenn es um Entscheidungen geht, die das Wohl von Mitarbeitern, Kunden und die Außenwelt betreffen. Ist die Spende an die Umweltorganisation eine PR-Kampagne oder ein ehrliches Anliegen? Passt die Diversity-Kampagne zu den Arbeitsstandards in den Landesgesellschaften? Den Botschaften auf den Grund gehen, das ist die vornehme Aufgabe für PR- und Kommunikationsteams.
Ich habe schon mehrere Veränderungen im PR-Verständnis miterlebt. Als Journalistin, als Pressesprecher eher Gate-Keeper waren und alles streng kontrollierten. Später im PR-Geschäft, als es um die klare Trennlinie zwischen PR und Redaktion ging. Über den Makler der Themen bis zum Mittler zwischen Unternehmen und Öffentlichkeit und dem Architekten von Medienmarken. Der Wandel zu einem ethischen Unternehmen wird nicht einfach und bequem, eher mühsam sein. Der Druck aus der Gesellschaft wächst bisweilen schneller als man gute Antworten formulieren kann. Deshalb sind Kommunikationsexperten wichtig, die das Ohr ganz nah bei den Stakeholdern haben und Ratgeber in allen Bereichen des Unternehmens sind.
Wer noch hofft, dass die Suche nach dem Sinn wieder verschwindet, dem sei eine Studie empfohlen. Utopische Träume gab es schon immer. Als Studentin war ich in den 70er Jahren davon überzeugt, dass man die Welt verbessern kann. Hat die Weltbeglückung stattgefunden? Nein, war auch gut so. Hat sich was verändert? Eine ganze Menge, vor allem mehr Freiheit für die individuelle Lebensgestaltung, was ein zentrales Anliegen war und unsere Gesellschaft geprägt hat. Jede Zeit hat ihre Sinnfragen. Was sich ändert, ist der Kontext. Heute geht es darum, dass Idealismus und Konsum keine Gegensätze sind, dass Vielfalt nicht nur respektiert, sondern auch abgebildet wird – etwa durch globale Mindeststandards bezüglich Arbeitsbedingungen, gesunde Ernährung und Klimaschutz – und über all das eine offene und ehrliche Kommunikation stattfindet. Darauf müssen sich Unternehmen einstellen.